Seit 17 Monaten ist Andreas Rupprecht Vikar in der Kirchengemeinde Gensingen-Grolsheim. Die Zeit ging schnell vorbei und war z. T. noch geprägt von der Corona-Pandemie. Im Juni zum Abschluss seiner Ausbildung wird er für vier Wochen die Vertretung für seinen Lehrpfarrer Markus Weickardt in der Kirchengemeinde übernehmen. Ein guter Zeitpunkt mit ihm im IntInterview einen Blick zurück und in die Zukunft zu werfen.
Seit 17 Monaten ist Andreas Rupprecht Vikar in der Kirchengemeinde Gensingen-Grolsheim. Die Zeit ging schnell vorbei und war z. T. noch geprägt von der Corona-Pandemie. Im März und April stehen für den gebürtigen Mainzer noch die Abgabe mehrerer Ausarbeitungen und mindestens drei Prüfungen an, bis der 38-jährige Familienvater dann im Juni zum Abschluss seiner Ausbildung für vier Wochen die Vertretung für seinen Lehrpfarrer Markus Weickardt in der Kirchengemeinde übernehmen wird. Ein guter Zeitpunkt mit ihm im Interview einen Blick zurück und in die Zukunft zu werfen.
Hilke Wiegers: Herr Rupprecht, eine anstrengende Zeit mit vielen neuen Herausforderungen liegt hinter Ihnen. Hat es sich gelohnt?
Andreas Rupprecht: Natürlich hat es sich gelohnt. Ich habe nun auch in der Praxis erlebt, was für ein superinteressantes Handlungsfeld der Pfarrberuf bietet – auch wenn die Zukunftsperspektiven für die Kirche als Ganzes angesichts der zunehmend steigenden Austrittszahlen derzeit in düsteren Farben gemalt werden.
Hilke Wiegers: Als neue Pfarrerinnen- und Pfarrergeneration werden Sie sich zusammen mit den Vikarinnen und Vikaren, die gerade mit Ihnen in der Ausbildung sind, in den letzten Monaten sicherlich viele Gedanken über diese Zukunft gemacht haben, oder?
Andreas Rupprecht: Na klar, als Kirche befinden wir uns ja gerade in einer Umbruchsphase. Die Präses der EKHN, Dr. Birgit Pfeiffer, hat den Prozess "ekhn2030", der ja meist als Reformprozess bezeichnet wird und unsere Landeskirche für die Rahmenbedingungen der Zukunft fit machen soll, als Neufindungsprozess bezeichnet. Das trifft es, finde ich, sehr gut.
Hilke Wiegers: Erfüllt Sie dieser bevorstehende Wandel nicht mit Sorge?
Andreas Rupprecht: Sicherlich macht der Rückgang der Kirchenmitglieder, der Finanzen, aber auch der Pfarrpersonen mancher und manchen der angehenden PfarrerInnen Angst ebenso wie die Frage, wie lange es in den geplanten Nachbarschaftsräumen auch ausreichend große Verkündigungsteams geben wird. Aber all diese Sorgen und schwierigen Zukunftsperspektiven verblassen für mich z. B. dann, wenn ich in meinem Arbeitsalltag nahe an den Menschen sein kann, z. B. eine Taufe feiere. Dann ist alles wieder gut. Denn die Menschen an entscheidenden Punkten ihres Lebens, auch bei der Beerdigung eines Familienangehörigen, begleiten zu können, ihnen eine Freude zu machen oder Trost zu spenden, tut mir gut, weil das ist das, wofür ich das alles mache. Da habe ich die Chance, die Erwartungen der Menschen an die Kirche ins Positive zurechtzurücken. Menschen begleiten und das Evangelium zu verkünden, das ist unser Auftrag.
Hilke Wiegers: Im Studium und vielleicht noch mehr im Vikariat im Angesicht der Praxis gab es sicherlich, Anlässe darüber nachzudenken, wie Ihre Generation dazu beitragen kann, dass Kirche überlebensfähig bleibt, oder?
Andreas Rupprecht: Natürlich und gerade haben wir hier in der Gemeinde die ganz jungen, nämlich die Konfirmandinnen und Konfirmanden, in diese Frage mit eingebunden und sie einen Gottesdienst gestalten lassen, wie sie ihn sich zukünftig vorstellen könnten. Das war spannend. Generell müssen wir kirchliche Kultur neu denken. Dürfen nicht resignieren und glauben, dass wir diesen "Dampfer" in seiner Fahrt nicht umlenken können. Jede und jeder hat seine Schraube, an der er drehen will und kann. Mein Thema ist da z. B. die Kirchenmusik oder der, aus meiner Sicht, zu hohe Anteil an Bibeltexten im Gottesdienst, denn die Bibelfestigkeit der Menschen hat doch sehr nachgelassen. Es gibt viele Dinge, über die wir angesichts der offensichtlichen Veränderungen reden müssen. Wir müssen als Kirche aus unserer "Blase" herauskommen. Auch mal Neues zu wagen, dazu gehört es auch, das Altes weichen muss. Wir können nicht einfach so weiter machen wie bisher. Dann müssen wir eben auch mal nicht predigen, sondern mit den Menschen ins Gespräch kommen, wie wir mit den veränderten Rahmenbedingungen umgehen können.
Hilke Wiegers: Und was steht bei Ihnen konkret nach dem Abschluss des Vikariats an?
Andreas Rupprecht: Dann werde ich ein halbjährliches Spezialvikariat im EKHN-Zentrum für Oekumene absolvieren. Ein super interessantes Feld, weil das Zentrum sehr genau beobachtet, was außerhalb der Kirche an weltanschaulichen Veränderungen passiert. Eine wichtige Aufgabe, denn Kirche als Institution ist oftmals viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.