Im dritten Teil seiner Gedanken zu Möglichkeiten der sich im Zuge von ekhn2030 entwickelnden Nachbarschaften blickt Dekan Olliver Zobel zurück auf die Landesgartenschau in Bingen und entwickelt Ideen dazu, welche Chancen die neuen Nachbarschaften bieten, auch wenn nicht von Anfang an alles perfekt ist.
Die Landesgartenschau in Bingen hat 2008 den Park am Mäuseturm in ein buntes Blumenmeer verwandelt – viele tolle Beete wurden angelegt und der Park war voller Stände und kleiner Angebote. Auch das Kirchengelände war mit Figuren und sogar einer Klangschale reich bestückt – wir hatten eine schöne Zeit.
Tja, und dann war die Landesgartenschau vorbei und es wurde zurückgebaut. Es war von Anfang an klar, dass die Stadt es nicht schaffen würde, diese vielen Beete so bunt zu kultivieren und dass auch wir es auf dem Kirchengelände nicht schaffen würden, solch ein buntes Programm aufrecht zu erhalten. Eigentlich sehr schade, gewiss verständlich und doch stand ich das ein oder andere Mal ein wenig wehmütig im kahl wirkenden Park am Mäuseturm.
Doch es ging weiter. Da waren erst einmal die vielen Familien, die die nun größeren Rasenflächen für sich „eroberten“, dort picknickten und spielten. Es gab sogar eine Zeitlang eine Quidditch-Gruppe – Harry Potter lässt grüßen. Die Beete veränderten sich: es wurden Stauden gepflanzt und Pflanzen, die nicht so pflegeintensiv sind. Auf dem Kirchengelände entstand nun ein sommerliches Gottesdienstangebot mit Partnern:innen, mit denen wir während der Landesgartenschau kaum zusammen-gearbeitet hatten. Hinzu kamen Trauungen und in den letzten Jahren sogar eine kirchliche Laufgruppe.
Wenn ich heute im Park stehe, dann gibt es immer noch manche Ecke, wo das eine oder andere entstehen könnte, die also noch brach liegen. Aber viele andere Flächen haben eine neue Nutzung bekommen – eine dem Umfeld angepasste Nutzung, eine manchmal eher temporäre oder auch spontane Nutzung, eine gemeinschaftlichere Nutzung. Und ich fühle mich wieder richtig wohl – dort im Park – und vermisse die Landesgarten- schau-Park-Landschaft kaum. Das alles wurde aber nur möglich, weil vieles eine ganze Zeitlang brach gelegen hat. So konnten sich neue Dinge ansiedeln – bei mancher Pflanze weiß ich gar nicht, ob die Gärtner:innen sie wirklich gepflanzt haben. Vor allem konnten sich viele mit ihren Ideen einbringen und Sachen ausprobieren. Manches ist über die Jahre wieder eingeschlafen, so dass immer wieder neue Brachen und damit Chancen-Räume entstehen.
Ein Stück geht es mir bei den Nachbarschaften ähnlich – gewiss wird das noch ein schmerzlicher Prozess, wenn wir merken, was wir aufgeben müssen und nicht mehr weiterführen können und wollen. Das meiste war doch schön und ich verbinde gute Erfahrungen damit. Und so eine Brache sieht auch nicht so toll aus. Und doch bietet sie die Möglichkeit, dass Neues entstehen kann – mit Antworten auf die Herausforderungen unserer Gesellschaft und mit neuen Partnern:innen: eben Chancen-Räume – und da freue ich mich drauf.
Bleiben Sie wohlbehütet,
Ihr Dekan Olliver Zobel