Prost Mahlzeit! Wo Kirchen zu Brauereien werden ...

Eine Fortbildung der Dekaninnen und Dekane der Propstei Rheinhessen und Nassauer Land zusammen mit Pröpstin Henriette Crüwell ins niederländische Utrecht brachte interessante Einblicke zum Thema "Umnutzung von Kirchen". Ein Reisebericht von Dekan Olliver Zobel.

Im April unternahmen wir Dekaninnen und Dekane der Propstei Rheinhessen und Nassauer Land zusammen mit unserer Pröpstin Henriette Crüwell eine Fahrt nach Utrecht. Hier wollten wir uns Kirchen anschauen, die umgenutzt worden sind. Schließlich ist auch die Zahl der Kirchenmitglieder der holländischen protestantischen Kirche deutlich gesunken, so dass mittlerweile viele Kirchen leer stehen. Sehr interessant fand ich die Begegnung mit Heleen Agterhuis. Sie ist vom Staat angestellt, um religiöse Gebäude umzunutzen, denn die Kirchengemeinden haben sich nicht leicht damit getan, Kirchen für andere Institutionen zu öffnen. Zu den Aufgaben von Heleen Agterhuis gehört es vor allem, eine Plattform zu schaffen, auf der Kirchen & Kommunen gemeinsam überlegen, wie es mit den Gebäuden weitergehen soll. Fast fünf Jahre hat es gebraucht, um diese Plattform zu gründen und Verständnis und Vertrauen aufzubauen. Dann nahm die Sache aber Fahrt auf. In den großen Städten sind dann die von uns besuchten Projekte entstanden. Aber auch auf den Dörfern wurden viele Kirchen in schlichte Gemeindehallen umgewandelt. Oft existierten hier zu Beginn von kommunaler Seite Vorbehalte. Doch schließlich haben sich auch die Kommunen lieber darauf eingelassen, ihre kommunalen Gemeindehallen abzugeben, als die Kirche im Dorf dem Verfall preiszugeben. Viele Kirchen wurden für kommunale Zwecke umgenutzt. So waren wir in einer Kirche, die in eine Bibliothek umgewandelt wurde. Harlem hat sein archäologisches Institut in eine Kirche ausgelagert und in Utrecht ist in einer Kirche ein Museum eingerichtet worden. Aber es gab auch Umnutzungen, die (auch für uns) herausfordernder waren: In Utrecht gibt es ein Restaurant, in Harlem eine Brauerei in einer Kirche und sogar ein ganzes Hotel wurde schon in eine Kirche eingebaut. Dabei hat man aber immer darauf geachtet, dass alles wieder so zurückgebaut werden kann, dass die Kirche vielleicht auch wieder als Kirche genutzt werden kann, wenn dies eine Kirchengemeinde möchte. Es war für mich ein besonderes Erlebnis, in einer Kirche zu brunchen und dabei zu beobachten, wie Menschen in ihren Zimmern eincheckten. Fast überall gab es noch Hinweise auf die kirchliche Nutzung: Orgelprospekte, Liedtafeln, Glasfenster … Doch leider habe ich nirgendwo einen Impuls  oder einen Hinweis darauf entdeckt, dass in der Kirche noch irgendetwas von ihrer alten Nutzung erhalten geblieben ist, wie z. B. ein monatlicher Kneipengottesdienst. Das hat mich schon berührt, dass diese Kirchen wirklich jetzt vollkommen säkularisiert sind. Heleen Agterhuis hat dann aber berichtet, dass die Planer mittlerweile auch über andere Nutzungen nachdenken. So soll eine Kirche in einen Marktplatz umgewandelt werden. In den Seitenschiffen jedoch sollen „Zelte“ entstehen, die die Menschen einladen, zur Ruhe zu kommen – zu Meditation oder zum Gebet zu finden. In der Mitte wären dann die Verkaufsstände. Das sind für mich Projekte, die mich mehr ansprechen – auch wenn ich das bei uns so schnell noch nicht flächendeckend als Herausforderung sehe. Allerdings sind wir gerade mit unseren katholischen Geschwistern im Gespräch, wie wir sie dabei unterstützen können, eine Kirche in ein Ossuarium umzuwandeln, d.h. in eine Kirche, in der man Urnenbeisetzungen vornehmen kann. Das wäre für mich nicht nur eine gute „Umnutzung“, sondern sogar ein wichtiger Impuls, um Menschen auch eine kirchliche Alternative zu Bestattungen in Friedwäldern oder Ruheforsten zu geben. Dekan Olliver Zobel