Die Königskerze – prächtig, aber eigenwillig – vom rechten Zeitpunkt, den wir erkennen müssen

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Ein neuer Artikel aus der Reihe "Vom Kleingarten zur Parkanlage" von Dekan Olliver Zobel

(28.08.2024) In unserem Vorgarten wachsen einige Königskerzen. Es sind prachtvolle Pflanzen mit leuchtend gelben Blüten, die bis zu zwei Meter hoch werden. Sie prägen das Beet, denn sie überragen alles.

Aber es sind auch Pflanzen mit einigen Besonderheiten: Weil sie sich meist nur ganz von alleine aussäen, weiß ich nie, wo sich so ein majestätisches Gewächs wieder gen Himmel recken wird. Außerdem braucht die Königskerze lange, um ihre ganze Pracht zu entfalten. Im ersten Jahr ist sie unscheinbar, produziert nur Blätter. Erst im zweiten Jahr treibt der mächtige Blütenstängel aus. Und nach der Blüte stirbt die Pflanze schnell ab und hinterlässt einen großen kahlen Fleck im Beet.

Diese beeindruckende Königskerze steht mir vor Augen, wenn wir über mögliche Aktivitäten in unserem Dekanat nachdenken. Statt an vertrauten Angeboten mit mittlerweile wenig Resonanz krampfhaft festzuhalten, sollten wir mehr Projekte auf die Beine stellen. Ein Tauffest beispielsweise nicht auf einer grünen Wiese sondern auf einer Insel mitten im Rhein: das zieht nicht nur viele Leute an, dafür finden sich auch leichter ehrenamtlich Mitarbeitende. So ein Projekt entwickelt schnell eine große Strahlkraft: Nicht nur die Medien berichten gerne darüber, auch andere Organisationen unterstützen uns oft und wir kommen miteinander ins Gespräch. Vielleicht sind wir nicht allzu lange mit dieser Aktion in der Öffentlichkeit, aber wir zeigen um so eindrücklicher, dass Kirche den Menschen tolle Angebote machen kann. Und im Nachgang tragen wir meist schöne Erfahrungen und Begegnungen im Herzen. Solche Projekte tun uns gut.

Drei Dinge dürfen wir dabei aber nicht aus dem Blick verlieren:

Wie bei der Königskerze lassen sich solche Projekte kaum langfristig planen. Gerade wenn sich unerwartet Freiräume bieten, gilt es zuzupacken und loszulegen. Die Bibel spricht hier vom „Kairos“, dem rechten Zeitpunkt, den wir erkennen müssen.

Andererseits brauchen solche Projekte auch wie die Königskerze ihre Zeit. Das kostet viel Kraft, die manchmal nur von wenigen erbracht werden muss, und Geduld, weil lange wenig Spektakuläres passiert. Eine Zeit des verlässlichen Dienens, zu denen Christus gerade die Verantwortlichen in der Kirche auffordert.

Und dann ist ein Projekt nur ein Projekt, wenn es auch ein Ende hat. An der Stelle der verblühten Königskerze wird erst einmal nichts anderes wachsen. Das heißt für unser Projekt: So schön es auch war, jetzt nicht der Gefahr erliegen, es möglichst jedes Jahr stattfinden zu lassen – sonst wird es schnell zur Last.

Vielmehr geht es nun darum, das nächste Projekt zu entdecken und zum Blühen zu bringen. Also, Augen offenhalten und die restlichen Arbeiten und regelmäßigen Angebote so begrenzen, dass ich auch loslegen kann, wenn sich die Chance für ein neues Projekt bietet.

Bleiben Sie wohlbehütet,

Ihr Dekan Olliver Zobel