(epd/red). Die beiden großen Kirchen in Deutschland müssen sich laut einem gemeinsamen Positionspapier in den kommenden 40 Jahren jeweils von etwa einem Drittel ihrer Gebäude trennen. Die evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümer werden laut der Schrift «Kirchliche Baudenkmale - Kulturelles Erbe auf einem steinigen Weg in die Zukunft» bis 2060 insgesamt rund 40.000 Immobilien verlieren, wie der evangelische Oberlandeskirchenrat Adalbert Schmidt und der Justiziar des katholischen Erzbistums Hamburg, Karl Schmiemann, in dem Papier schreiben.
Ekhn2030: Gebäudebestand wird sich auch in der EKHN reduzieren
Auch in der EKHN wird der Gebäudebestand im Rahmen des Reformprozesses ekhn2030 reduziert. Laut dem „Arbeitspaket 3: Gebäude – qualitativer Konzentrationsprozess“ wird es bei den rund 900 Gemeindehäusern den stärksten Einschnitt geben müssen, um langfristig auf die erforderliche Einsparung zu kommen. Viele von ihnen sind funktional wie ökologisch sanierungsbedürftig. Nach derzeitiger Einschätzung werden ca. 44 Prozent der Versammlungsflächen zukünftig keine gesamtkirchlichen Zuweisungen mehr erhalten. Bei den 800 Pfarrhäusern wird sich die Reduktion an den Rückgang der Pfarrstellen anpassen. Bei den 1.200 Kirchen und sakralen Versammlungsstätten wird eine Reduktion von maximal 10 Prozent erwartet. 90 Prozent der Kirchen sind denkmalgeschützt.
Fachtag am 10. Mai – Kirchenräume als Begegnungsorte?
Da nicht mehr alle Kirchen und Gemeindehäuser auf Dauer finanziert werden können, stellt sich die Frage: Was entsteht daraus? Leere Kirchen als „lost spaces“ oder als Räume für kreative Ideen? Was bedeutet dies für die Stadt- und Zivilgesellschaft? Diesen Fragen widmet sich der Fachtag am 10. Mai 2023 zum Thema „Metamorphose – Kirchenräume als Begegnungsorte der Zukunft?“ ab 16 Uhr in der Evangelischen Akademie Frankfurt. Mit dabei sind der Architekt Wilfried Kuehn, die Theologin und Kunsthistorikerin Karin Berkemann, die Architektin Claudia Meixner und viele weitere spannende Gäste. Um Anmeldung wird gebeten.
Zusammenarbeit mit Denkmalschutz wird empfohlen
Der Hintergrund für aufgegebene Kirchengebäude ist laut dem Positionspapier der kontinuierliche Schwund der Kirchenmitglieder und der verfügbaren Finanzmittel. Die Anzahl der Kirchenmitglieder nimmt aufgrund von Kirchenaustritten aber auch wegen der demographischen Entwicklung ab. Vornehmlich seien Pfarr- und Gemeindehäuser betroffen, aber zunehmend auch Kirchen. Diese stünden zum großen Teil unter Denkmalschutz. Die Autoren regen deshalb eine Vereinbarung mit den Denkmalschutzbehörden an, um zu Lösungen bezüglich der Nachnutzungen zu kommen. Zuerst hatte die «Hannoversche Allgemeine Zeitung» (HAZ, Dienstag) darüber berichtet. Der Denkmalschutz zeigt sich dem Zeitungsbericht zufolge kompromissbereit. Die Landesämter der Denkmalpflege hätten großes Interesse an einer frühzeitigen Zusammenarbeit, sagte Christina Krafczyk, Präsidentin des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege, der Zeitung.
42.500 Sakralbauten sind deutschlandweit betroffen
Die Preisgabe einer großen Zahl von Kirchen stelle «die staatliche und kirchliche Denkmalpflege in den kommenden Jahren vor eine Herkulesaufgabe», schrieben Schmidt und Schmiemann. Von den 42.500 Sakralbauten beider großen Konfessionen stünden rund 80 Prozent unter dem Schutz des Denkmalrechts. Nach Ansicht der beiden Juristen muss ein in ganz Deutschland geltendes Verfahren entwickelt werden, damit die Denkmalschutzbehörden der Länder und die Kirchen auf Augenhöhe über eine neue Nutzung von Sakralbauten verhandeln könnten.
Konsens und Kompromisse sollen Abriss vermeiden
Konsense und Kompromisse könnten für eine zügige Umsetzung sorgen, heißt es in dem Papier. Dadurch könnten lähmender Streit und überlange Verwaltungsprozeduren vermieden werden. Auf diese Weise kämen alle Beteiligten «vor die Welle von Leerstand, Schließung und Verfall». Beim Scheitern solcher Kompromisswege drohe aber kein massenhafter Abriss von Kirchen, wie die HAZ geschlussfolgert habe, betonte eine Kirchensprecherin. Ein Abriss nach einer sehr langen Zeit des Verfalls sei nur der schlimmste, selten eintretende Fall.
Hintergrund zum Positionspapier
Das 15-seitige Positionspapier ist jüngst in der Zeitschrift «Kirche & Recht» erschienen. Schmidt ist zugleich Vorsitzender der Baurechts- und Grundstückskommission der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Schmiemann ist Vorsitzender der Rechtskommission des katholischen Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD).
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